2002, lange bevor sie selber Mutter wurde, hat die Fotografin Pamela Rußmann begonnen, schwangere Frauen zu fotografieren. Seitdem porträtiert sie Jahr für Jahr in achtsam vorbereiteten und ausgeführten Fotoshootings eine Vielzahl von Frauen und hat nicht nur ein enorm umfangreiches Bildarchiv aufgebaut, sondern sich durch die Beschäftigung und die vielen Gespräche mit schwangeren Frauen auch inhaltlich intensiv mit den Veränderungen und emotionalen wie seelischen Ebenen auseinandergesetzt.

Exklusiv für Salon Mama hat die Fotografin & Journalistin Pamela Rußmann nun eine Reihe konzipiert, in der sie ihre bisherige Arbeit des Fotografierens von schwangeren Frauen um eine Ebene erweitert, nämlich: das Wort.

Im 10. Mama Talks interviewt und fotografiert Pamela Rußmann wie schon beim letzten Papa Talk keine Schwangere, sondern eine Mama, die über einen ganz besonderen Weg erzählt, der sie zur Mama gemacht hat. 

Salon Mama / MAMA TALKS / Februar 2018

Fotos & Interview: Pamela Rußmann

Feburar 2018

–         Vorname: Sarah

–         Alter: 35

–         Beruf: PR im Bereich Kunst und Kultur

–         Kind: Eloise

–         Alter: 10 Monate

–         Wohnort: Wien

–         Familienstand: ledig

–         Social Media: @how_i_became_your_mother

Liebe Sarah, ich bin über Instagram auf dich aufmerksam geworden, der Titel deines Accounts hat mich neugierig gemacht: „How I became your mother“. Dort dokumentierst du den Weg von deinem Kinderwunsch zum Kind und nun als alleinerziehende Mama. Und dieser Weg ist bei dir ein nicht alltäglicher: du hast dir über eine dänische Kinderwunschklinik eine Samenspende geholt. Erzähl doch mal, wie du auf diese Möglichkeit des Schwanger- bzw. Mutterwerdens gekommen bist!

Sarah: Seit ich denken kann, war mir immer klar, dass ich eines Tages Mutter werden möchte. Über das wann und wie habe ich lange Zeit nicht konkret nachgedacht. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, in Frage zu stellen, dass irgendwann ein Mann in mein Leben treten wird, mit dem ich eine Familie gründe. Mit Anfang 30 habe ich mir erstmals überlegt, was ich denn mache, wenn sich das nicht alles von selbst ergibt mit der Liebe, der Partnerschaft und der Familiengründung. Ich war zu dem Zeitpunkt schon ziemlich lange Single – immer mal wieder gab es jemanden in meinem Leben, aber die Beziehung war nie tief genug, um an gemeinsame Kinder auch nur zu denken. Das Singledasein an sich hat mich mal mehr mal weniger gestört, aber der Kinderwunsch war sehr präsent. Es war dann eine Verkettung von Zufällen, die mich auf die Möglichkeit hat aufmerksam werden lassen, auch ohne Partner an meiner Seite Mutter zu werden. Ich bin auf Blogs gestoßen, in denen Frauen – vor allem lesbische Paare – ihren Weg zum Wunschkind beschrieben haben, habe etwas recherchiert und die Ohren gespitzt, wenn in meinem Umfeld von Co-Elternschaft und Ähnlichem die Rede war. Es war für mich eine große Erleichterung, zu erfahren, dass es auch diese Möglichkeiten der Familiengründung gibt. Gleichzeitig bin ich auch auf Hindernisse gestoßen: In Österreich dürfen sich alleinstehende Frauen derzeit noch keiner Kinderwunschbehandlung unterziehen. Voruntersuchungen können zwar hier vor Ort vorgenommen werden, für die eigentliche künstliche Befruchtung muss man aber ins Ausland reisen, z.B. nach Dänemark oder Spanien. Ich habe dann zu einer Klinik in Kopenhagen Kontakt aufgenommen und einen ersten Beratungstermin vereinbart. Mir war nämlich in der Zwischenzeit klar geworden, dass mein Kinderwunsch größer war als der Wunsch nach einer Partnerschaft. Natürlich ist es etwas wunderbares, mit einem Menschen, den man liebt, gemeinsam ein Kind in die Welt zu setzen. Ich kann mir das durchaus auch weiterhin für mich vorstellen. Aber mit dem bereits sehr ausgereiften Wunsch nach einem Kind auf Partnersuche zu gehen, ist unter Umständen keine gute Voraussetzung für eine glückliche Beziehung. Ab dem Zeitpunkt, zu dem mir klar wurde, man kann den Wunsch nach einem Kind von der romantischen Liebe entkoppeln, wuchs diese Vorstellung in mir.

Hast du eine Pro & Contra-Liste erstellt? Was dafür, was dagegen spricht? Oder war das ein eindeutiges JA für diesen Weg?

Sarah: Es war ein eindeutiges JA und es gab auch keine Liste, obwohl ich sonst ein absoluter Listenfan bin. Der Plan, alleine ein Kind zu bekommen brauchte einige Zeit, um zu reifen. Zwischen den ersten vorsichtigen Gedankenspielereien und der ersten Insemination lagen mindestens eineinhalb Jahre. Ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, was mich erwartet, was dieser Schritt bedeutet, welche Wendung er meinem Leben geben kann. Ich habe mir viele Fragen gestellt: Kann ich das alleine schaffen? Will ich das alleine schaffen? Kann ich es mir finanziell leisten? Was ist wenn dieses oder jenes passiert? Alleinerziehend zu sein ist eine besondere Herausforderung in vielerlei Hinsicht. Während die meisten Alleinerziehenden ungeplant in diese Situation geraten, hatte ich die Möglichkeit, mich schon vor Eintreten der Schwangerschaft darauf einzustellen und habe das auch getan.

Es hört sich jedenfalls alles recht aufwändig an, ständig die fruchtbaren Tage überwachen, Arzttermine, nach Kopenhagen fliegen zum richtigen Zeitpunkt, finanziell ist es auch eine Herausforderung…und noch dazu hat man ja keine Garantie, dass das Ei gleich beim 1. Versuch befruchtet wird. Wie haben deine Freunde und deine Familie darauf reagiert? Fanden die dich mutig oder egoistisch oder verrückt, oder haben die sich einfach mit dir gefreut, dass bald ein Baby im Haus sein wird?

Sarah: Während man sich in einer Kinderwunschbehandlung befindet – egal, ob als Paar oder alleinstehend – wird das vermutlich für jeden ganz automatisch zu einem zentralen Lebensthema. Hoffnung und Enttäuschung liegen da leider oft ganz nah beieinander. Bei mir hat erst die fünfte Insemination zur Schwangerschaft geführt. Das ist zwar durchaus innerhalb eines ganz normalen Rahmens, aber zwischenzeitlich hatte ich große Sorgen, dass es nicht klappen könnte. Man denkt irgendwann tatsächlich nicht mehr in Wochen und Monaten, sondern nur noch in Zyklusphasen. Die zusätzliche Belastung in meinem Fall, spontan pünktlich zum Eisprung nach Kopenhagen reisen zu müssen, machte es noch komplizierter. Meine Schwester und wenige sehr enge Freunde waren von Anfang an eingeweiht und haben mitgefiebert. Als ich – kurz bevor es dann endlich geklappt hat – auch meiner Mutter davon erzählt habe, war diese zunächst sehr besorgt. Sie liebt ihr Enkelkind inzwischen über alles, aber damals hatte sie Angst um mich und meine Zukunft.

Was mich ehrlich gesagt überrascht hat: dass du so jung bist. Vielleicht ist das ein Klischeebild, das ich im Kopf habe, aber Samenspende, da denke ich an alleinstehende Frauen 40plus, die mit dem Thema Beziehung für sich abgeschlossen haben, aber Muttersein erleben wollen. Hast du diese Reaktion oder dieses Fragezeichen bei Kollegen und Freunden auch erlebt? Im Sinne von, „mei, du bist ja noch jung, da kommt sicher noch der Richtige“…

Sarah: Diese Reaktion kam schon häufiger, ja. Ich glaube, dass es viele überrascht, wenn eine Frau die durchaus noch ein paar Jahre Zeit gehabt hätte, auf den „Richtigen“ zu warten, eben nicht wartet, sondern diesen Weg wählt. Die meisten gehen davon aus, dass künstliche Befruchtung mit Spendersamen nur eine Notlösung ist. Der letzte Schritt, den eine Frau erst dann geht, wenn ihre biologische Uhr abläuft oder aber sie generell entschieden hat, keine Beziehung mit einem Mann führen zu wollen. Beides trifft auf mich nicht zu und das sorgt sicher bei einigen für Irritation. Je besser Menschen mich kennen, umso eher verstehen sie jedoch in der Regel meine Entscheidung.

Nachdem du dich also entschieden hattest für eine Samenspende: wie sucht man den Spender aus? Welche Informationen bekommt man über den Mann? Sieht man ein Foto zb? Oder erfährt man wenigstens den Vornamen?

Sarah: Ich weiß vom Spender lediglich seine Haar- und Augenfarbe sowie seine Körpergröße. Es gibt aber unterschiedliche Optionen, einen passenden Spender zu finden. Manche Samenbanken geben gegen einen gewissen Aufpreis ein kleines Portfolio zum potentiellen Spender heraus. Dem kann man Beruf und Interessen des Spenders entnehmen. Auch ein Kinderfoto des Spenders wird manchmal zur Verfügung gestellt. Das hat mich alles nicht interessiert. Spontan hätte ich vermutlich einen Spender gesucht, der dem Typ Mann nahe kommt, den ich persönlich besonders attraktiv finde. Beim Erstberatungsgespräch mit meiner Klinik in Kopenhagen hat man mir aber dazu geraten, einen Spender zu wählen, der mir selbst in Bezug auf äußerliche Merkmale ähnlich ist. Offenbar fördert es die Bindung einer Mutter zu ihrem Kind, wenn es ihr optisch ähnelt. Inwiefern das tatsächlich zutrifft, weiß ich nicht. Ich war ehrlich gesagt froh, dass mir die Klinik mit diesem Ratschlag die Entscheidung abgenommen hat, welche Haar- und Augenfarbe der Spender haben soll. Ich wollte einfach ein Kind bekommen, ohne mir über solche Äußerlichkeiten – von denen im übrigen ja ohnehin nicht gesagt ist, dass sie sich beim Kind wiederfinden – Gedanken zu machen. Um auszuschließen, dass es aufgrund genetischer Gründe wiederholt nicht zur Befruchtung kommt, wird übrigens bei mehrmaligen Versuchen empfohlen, den Spender zu wechseln, was ich auch getan habe. Ein Gesundheitscheck wird bei allen Spendern durchgeführt, ebenso wird eine Vorbelastung in Bezug auf einige Erbkrankheiten ausgeschlossen.

Ich hab mir versucht vorzustellen, wie die Situation in der Klinik ist, wenn man dann endlich mit dem reifen Ei im Körper in Kopenhagen sitzt: ist das ähnlich romantisch wie eine Blutabnahme im Labor um die Ecke? Oder wird dort versucht, ein liebevolles, warmes Ambiente herzustellen?

Sarah: In meiner Klinik in Kopenhagen herrschte eine sehr entspannte Stimmung. Die Einrichtung war wirklich schön, die Mitarbeiterinnen wahnsinnig nett und einfühlsam – mit dem Labor um die Ecke hatte das alles zum Glück wenig gemeinsam. Obwohl dort hinter den Kulissen sicher manchmal unter Druck gearbeitet wird – schließlich ist bei künstlicher Befruchtung das richtige Timing entscheidend – hat man sich immer viel Zeit für mich genommen, ist auf alle Fragen und Sorgen eingegangen.

Mit wem hast du in der Schwangerschaft signifikante Momente wie „erste Kindsbewegung“ usw. geteilt?

Sarah: Ganz besonders involviert waren meine Schwester und meine Eltern. Vermutlich habe ich in Ermangelung eines Partners aber auch meine Freunde sehr ausführlich mit einbezogen, was diverse Veränderungen meines Körpers und die Kindesentwicklung angeht.

Hattest du eine Vertrauensperson bei der Geburt dabei?

Sarah: Meine Mutter war bei der Geburt meiner Tochter dabei. Sie hat die letzten drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin bereits bei mir gewohnt, um vor Ort zu sein, wenn es losgeht und mich anschließend auch im Wochenbett zu unterstützen. Neben meiner Hebamme war sie im Kreißsaal die ganze Zeit an meiner Seite. Dass wir diesen besonderen, einmaligen Moment miteinander geteilt haben, hat unsere Beziehung enorm gestärkt.

Jetzt, wo deine Kleine noch ein Baby ist, kannst du das Thema Vater ja noch gut ausblenden. Aber wie bereitest du dich auf den Moment vor, wenn deine Tochter nach ihrem Papa zu fragen beginnt? Was ist, wenn sie ihn kennen lernen will? Ginge das überhaupt?

Sarah: Ich habe vor, von Anfang an sehr offen mit dem Thema umzugehen. Sobald Eloise nach ihrem Papa fragt, möchte ich versuchen, ihr auf kindgerechte Weise zu erklären, wie sie entstanden ist. Ich stelle mich darauf ein, dass es für sie nicht einfach sein wird, das zu verstehen. Es gibt bereits Literatur zum Thema, mit der ich mich beschäftigt habe und auch ein erklärendes Kinderbuch habe ich gefunden. Im Zweifelsfall werde ich mir zusätzlich bei einer Familienberatungsstelle Rat holen. Der Samenspender hat einer offenen Spende zugestimmt. Das bedeutet, dass Eloise ihn über die Samenbank kontaktieren kann, wenn sie volljährig ist. Ich befürchte allerdings, dass diese Aussicht für ein kleines Kind zunächst unbefriedigend ist. Letztlich kann ich nur hoffen, dass es mir gelingt, meiner Tochter zu vermitteln, wie sehr ich sie mir gewünscht habe, und dass es sie nicht geben würde, wenn ich mich nicht für die Samenspende entschieden hätte.

Wie schätzt du das ein: wird dieser Weg, ein Kind zu bekommen, für immer mehr Frauen eine denkbare Alternative?

Sarah: Auch in Zukunft werden Frauen sicher nicht scharenweise nach Dänemark pilgern, um sich dort ihren Kinderwunsch allein zu erfüllen. Für einzelne ist es aber eine Option, die aktuell auf Grund der Gesetzeslage in Österreich und natürlich auch der damit verbundenen Stigmatisierung nur wenigen überhaupt bewusst ist. Da ist die Hemmschwelle sehr hoch, was sich aber langfristig ändern wird, denke ich. Generell wird das klassische Familienmodell, bestehend aus Vater-Mutter-Kind, zukünftig sicher häufiger zugunsten anderer Konstellationen in Frage gestellt werden. Die gelebte Familien-Realität sieht doch auch jetzt schon ganz anders, nämlich viel bunter, aus. Ein-Eltern-Familien, Regenbogenfamilien, Patchwork-Familien, Co-Elternschaft – es wäre wünschenswert, wenn hier gedanklich nicht mehr in gute und richtige und weniger gute oder gar falsche Familien unterteilt würde.

Vielen Dank, Sarah, für deine Gastfreundschaft und alles Gute euch beiden!

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren.